An was denken Sie, wenn Sie den Begriff Epikuräer hören? An Ganzheitlichkeit? Oder eher an einen dickbäuchigen Gourmand? Letzteres ist leider wahrscheinlicher. Denn die Anhänger des Philosophen Epikur (341-270 vor Christus) hatten ein PR-Problem. Nicht nur war Epikur, nach dem Schöpfer seiner Marmorbüste, ganz und gar nicht dick. Eher zu schmalgesichtig. Die von Epikur gegründete philosophische Schule hatte Feinde.
Wozu Stoiker sich hinreißen ließen
Ludwig Marcuse schrieb in seinem Vorwort zu Philosophie des Glücks (Diogenes, 1972) Unglaubliches. Eine historische Kriminalkomödie:
„Der Judas der Schule war ein Bruder des Lieblingsschüler Metrodorus. Dieser schändliche Bruder versicherte: Der Meister übergebe sich zweimal täglich, soviel stopfe er in sich hinein. Dann trat die Konkurrentenschule auf den Plan, die Stoa, und fälschte Briefe, die für Epikur belastend waren: fünfzig Billetsdoux an Damen, an Halbweltdamen.“
Wer hätte gedacht, dass die angeblich so ausgeglichenen Stoiker an so etwas überhaupt denken?
Ganzheitlichkeit zum Aufregen
Was konnte die Stoiker auf die Palme bringen? Dass das Leben im Garten von Epikur hedonistisch angenehmer war als eine karge, so oft Freude versagende Weltsicht es zulassen wollte? Was genau dachte und schrieb der Philosoph Epikur denn so Provozierendes? In Über das Glück (Diogenes, 1995) zum Beispiel das:
„Man sollte immer daran denken, dass die Zukunft weder ganz noch gar nicht in unserer Hand liegt, damit wir nicht ständig erwarten, was geschehen wird, und nicht verzweifeln an dem, was nicht geschehen wird.
Weiter muss man bedenken, dass manche der Triebe natürlich sind, andere nichtig; manche der natürlichen notwendig, andere nur natürlich. Manche der notwendigen sind für das Glück notwendig, andere für das Wohlbefinden des Körpers, noch andere für das Leben selbst. Bei ruhiger Betrachtung dieser Dinge ist jede Neigung und Abneigung auf die Gesundheit des Körpers und die Ungetrübtheit der Seele zurückführbar, da ja dies das Ziel eines glücklichen Lebens ist.“
Die Evolution der Ganzheitlichkeit
So viel ganzheitlicher Esprit brachte dann auch die Stoiker 350 Jahre später wieder zur Vernunft. Einer der wichtigsten Vertreter der ‚jüngeren Stoa‘, der römische Kaiser Mark Aurel (121-180 nach Christus), ließ der Philosophenschule des (zu dem Zeitpunkt schon lange verstorbenen) Epikur dann sogar staatliche Unterstützung zukommen. Manche Entwicklungen sind eben erfreulich evolutionär.