Als Frau Vorurteile gegen Frauen?

Warum Vorurteile gegen das eigene Geschlecht schädlich sind – und wie du sie überwindest

Eine Frau weist auf Geschlechervorurteile hin

Hast du dir schon einmal bewusst gemacht, dass Vorurteile gegen dein eigenes Geschlecht oft schädlicher sind, als Vorurteile gegenüber dem anderen? Warum? Weil sie, von deinem Unterbewusstsein aus, unser Denken, Fühlen und Verhalten sabotieren. Ganz grundlegend limitierend und meist negativ. Hier erfährst du, warum das so ist, wie solche Vorurteile entstehen. Und du erfährst eine Übung von meinem Körperpsychotherapie-Lehrer Jack Lee Rosenberg, mit der du dir Vorurteile bewusst machen und überwinden kannst.

Vorurteile: Ballast unserer Kindheit

Bis zu unserem fünften Lebensjahr saugen wir – wie Schwämme – alles auf, was in unserer Familie, Gesellschaft und den Medien über Frauen und Männer gesagt wird. Ob es heißt: „Männer können besser einparken“ oder „Frauen sind emotionaler“ – diese Botschaften gelangen weitgehend ungefiltert in unser Bewusstsein.

Was dabei entsteht, sind stereotype Bilder: Männer sind rational, Frauen emotional. Männer sind stark, Frauen sensibel. Diese Klischees beeinflussen unser Denken, ohne dass wir es merken. Und das Gefährliche daran? Wir wenden sie nicht nur auf andere an, sondern auch auf uns selbst.

Wie Vorurteile Selbstbild und Selbstliebe prägen

Du bist eine Frau und hast unbewusst Vorurteile gegen Frauen? Was würde dann passieren? Vielleicht denkst du, Frauen seien weniger durchsetzungsfähig oder schlechter in technischen Berufen oder nicht so gut im Umgang mit Geld. Was passiert? Du beginnst, dich selbst in diesen Bereichen zu hinterfragen, vermeidest bestimmte Herausforderungen oder sabotierst dich durch Selbstzweifel.

Das Gleiche gilt für Männer: Wenn ein Mann glaubt, dass Männer nicht gut über Gefühle sprechen können, wird er weniger bereit sein, emotionale Gespräche zu führen – selbst wenn er das Bedürfnis danach hat. Und definitiv seine Beziehung verbessern würde.

Yin und Yang: Ein anderer Blick auf Geschlechterrollen

Schon in der taoistischen Philosophie gab es das Konzept von Yin und Yang. Diese beiden Energien – Yin (empfangend, weich, weiblich) und Yang (aktiv, durchdringend, männlich) – sind jedoch nicht an ein Geschlecht gebunden. Sie stehen für universelle Kräfte, die in jedem Leben, jedem Menschen, wirken.

Was der Psychologe Carl Gustav Jung aus Yin und Yang machte

Carl Gustav Jung griff diese Idee später auf und sprach von „Anima“ und „Animus“. Beide Energien, die weibliche wie die männliche, sind in uns allen vorhanden. Sie machen uns zu vollständigen Wesen. Nur wenn wir beide Seiten in uns akzeptieren und entwickeln, können wir unabhängiger sein und unser volles Potenzial entfalten.

Vorurteile, die uns glauben lassen, wir müssten entweder „nur“ weiblich oder „nur“ männlich sein, machen uns abhängig und begrenzen uns.

Übung: Mache dir deine Vorurteile bewusst

Eine meiner Lieblingsübungen, um Geschlechtervorurteile zu erkennen, stammt von meinem Lehrer Jack Lee Rosenberg. Sie hilft dir, unbewusste Annahmen ans Licht zu bringen:

  1. Wähle eine unbekannte Person
    Besuche eine Party oder einen anderen Ort, an dem du neue Menschen triffst. Wähle eine Person deines eigenen Geschlechts, die du noch nicht kennst, über die du auch noch nichts gehört hast.
  2. Beobachte und urteile bewusst
    Schaue dir die Person aus der Distanz an. Welche Eigenschaften schreibst du ihr zu? Was glaubst du über ihren Beruf, ihre Persönlichkeit, ihre Geschichte? Merke dir dies, vielleicht notierst du es dir sogar.
  3. Sprich mit der Person
    Gehe auf die Person zu und beginne ein Gespräch. Höre aufmerksam zu und lerne sie kennen.
  4. Vergleiche deine Annahmen mit der Realität
    Überprüfe, wie stark deine Vorurteile von der Wirklichkeit abweichen. Du wirst überrascht sein, wie oft sie völlig falsch sind.

Diese Übung hilft dir letztlich , nicht nur Vorurteile über andere, und damit auch über dich selbst, zu erkennen – und sie zu hinterfragen.

Mein persönliches Aha-Erlebnis zu Geschlechtervorurteilen

Mitte der 1990-er Jahre, während meiner Körperpsychotherapie-Ausbildung. Ich glaube damals noch, dass ich keine Geschlechtervorurteile hätte. Jack Lee Rosenberg hatte uns die Aufgabe gegeben, die Geschlechterübung über Wochenende auszuprobieren. Ich war an dem Samstag auf einer Party in Silver Lake eingeladen. Ohnehin ein ewig langer Weg von Venice Beach aus. Ich sah viele mir noch unbekannte Menschen auf dieser Party. Darunter eine zierliche Blondine, die ich für diese Übung geeignet hielt. Ich machte mir bewusst, dass ich sie in meinem Kopf über als arrogant, verwöhnt und oberflächlich beurteilte. Dabei wäre es wahrscheinlich geblieben, doch ich musste ja den „Realitätscheck“ durchführen.

Ich ging auf sie zu und sprach sie an. Sie reagierte offen und zugewandt. Im Gespräch stellte sich dann auch noch heraus, dass sie Grundschullehrerin in einem der härtesten Bezirke der Stadt war. Sie war bodenständig, engagiert. Also das genaue Gegenteil meines ersten Eindrucks.

Fazit: Vorurteile hinterfragen, Freiheit gewinnen

Vorurteile gegen das eigene Geschlecht schränken uns ein und hindern uns daran, unser volles Potenzial zu leben. Indem du sie dir bewusst machst und hinterfragst, kannst du dich davon befreien. Und die Übung mit dem anderen Geschlecht durchführen. 😉

Susanne Hake

Praxis für Osteopathie,

Körperpsychotherapie

und Coaching

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Foto: dpa.com/Silas.Stein

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