Während meiner fünfjährigen Osteopathieausbildung fiel der Begriff immer wieder. Meist im Zusammenhang mit der Philosophie, die so ganzheitlich hinter der Osteopathie steht: Salutogenese. Ich stellte zu dem Begriff die Frage, die eine gute Klassensprecherin, wenn ein allzu abgehobener Exkurs des Dozenten droht, stellt: „Ist das prüfungsrelevant?“ War es nicht. Zumindest nicht wirklich so im Detail wie die ganze Anatomie, Physiologie und Pathologie, die wir noch zu lernen hatten. Also, Entspannungsphase für alle.
Doch der Begriff verfolgte mich. Auch nach der Prüfung. Es gab einen ganzen Osteopathie-Kongress zum Thema Salutogenese. Sogar eine Juristin kannte das Wort: „Es ist doch kein Problem, wenn Sie keine Anwendungsbeispiele für Osteopathie auf Ihrer Webseite nennen dürfen: Bei Salutogenese geht es doch gar nicht um Krankheiten, sondern die Gesundheit.“ Und selbst im Geschäftsalltag steckt inzwischen Business-Salutogenese . Höchste Zeit also, das nicht wirklich prüfungsrelevante Wort mal ins gut Deutsche zu übertragen. Salus heißt auf lateinisch die Gesundheit. Genese — jetzt bitte nicht an Genesis denken, die mochte meine Cousine so — heißt: Entstehung. Die Entstehung von Gesundheit. So einfach lässt sich das sagen.
Der Begriffspräger: Medizinsoziologe Aaron Antonovsky
Von 1923-1994 lebte der US-Amerikaner israelischer Herkunft. In den 80er Jahren fand er den Namen dafür, was ihn beschäftigte. Gesundheit ist, nach seinen wissenschaftlichen Studien, ein Prozess und kein Zustand. Salutogenese formulierte er als gegensätzlichen und auch komplementären Begriff zur Pathogenese, der Entstehung von Krankheit, den die Schulmedizin verwendete.
Innerhalb der Salutogenese wird Gesundheit als mehrdimensional und als Kontinuum betrachtet. Eine Person kann sowohl gesunde als auch kranke Aspekte gleichzeitig verkörpern. Jeweils ein bisschen, mittel oder mehr.
Das ganzheitliche Warum der Salutogenese
Als wichtig im Zusammenhang mit der Entstehung von Gesundheit sah Antonovsky das Gefühl der Kohärenz (lat.: Zusammenhang). Dieses Gefühl hat für ihn drei Aspekte: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit.
Dies gegenüber den Stressoren und Unbillen der Chaos-Ordnung des Lebens zu fühlen — Ich verstehe, warum das passiert, ich kann damit umgehen und ich erfahre einen Sinn darin — unterstützt die Entwicklung von Gesundheit. Verstehe. Insofern ist kaum etwas prüfungsrelevanter.