Anders als Introvertiertheit und Hochsensibilität kann die Schüchternheit nicht nur angeboren, sondern auch erworben sein. Zum einen durch das vorgelebte Verhalten der Eltern, zum anderen auch durch Erlebnisse außerhalb der Familie: Mit Mitmenschen in Kindergarten, Schule, in bisherigen Jobs und in der Freizeit. Möglichkeiten, sich ein mehr oder weniger großes Trauma zuzulegen, gibt es reichlich. Bei manchen Personen gleiten negative Erlebnisse eben leichter ab – werden gar nicht erst persönlich genommen und dann schneller verarbeitet – als bei anderen. Der erste Impuls nach einem derartigen Schreck: sich zurückzuziehen. Bei einem Introvertierten, der seine Batterien per Definition durch vorübergehendes Alleinsein auflädt, zunächst eine funktionierende Taktik. Doch Schüchternheit (selbstverständlich gibt es auch introvertierte Schüchterne) bedeutet im Gegensatz dazu, dass der Kontakt mit anderen Menschen im Grunde gewünscht ist, die Angst davor, die Hemmung, Blockade, diesen aber erschwert. Rückzug ist auf Dauer ohnehin keine Lösung. Erst recht nicht für schüchterne Menschen.
Der Ausweg ist kontra-intuitiv
Warum also Selbstmarketing für Schüchterne? Auf den ersten Blick erscheinen schüchterne Menschen so beispielhaft bescheiden, so alles andere als egozentrisch. Doch wer sich mit inneren Gedankenwelten beschäftigt, merkt: hier kreist vor allem eine Frage durch die Gehirnwindungen, getrieben von dem Gefühl der Scham oder auch einfach nur noch zwanghaft automatisch, „Was denken andere Leute über mich?“. Damit nehmen sich diese Personen auf quälende Art allzu wichtig. Denn in der Realität der anderen Leute, kommen sie (und andere) in den meisten Fällen höchstens am Rande vor. Ganz im Sinne des Kalauers:
Alle denken nur an sich, nur ich denke an mich
Wissenschaftliche Tatsache: Das, was wir vermuten, was andere über uns denken, wie sie uns bewerten, entspricht ziemlich genau dem eigenen Selbstbild. Wir übertragen bzw. unterstellen quasi, dass andere genau so schlecht (oder auch gut) über uns denken wie wir selber! Das ist also die konkrete Baustelle für Schüchterne: sich zunächst einmal selber in seiner Einzigartigkeit zu akzeptieren und anzuerkennen. Genau das ist der Beginn von ganzheitlichem Selbstmarketing. Denn Selbstmarketing ist absolut nicht das Vorrecht extravertierter, narzisstischer Rampensäue, die um jeden Preis Aufmerksamkeit brauchen. Beim Selbstmarketing, so wie ich es verstehe, geht es darum, seine teilweise noch unbekannten Stärken und Talente, sowie eine eigene Vision zu definieren, um damit effektiv zum nächsten Zwischenschritt überzugehen: Was kann ich mit meiner verwertbaren Einzigartigkeit für genau welche anderen Menschen erreichen? Wie kann ich damit deren Probleme lösen? Also: Weg von der vorübergehenden Nabelschau, hin zu den Bedürfnissen und Nöten anderer, um dort Wert zu schaffen. Für die speziellen Menschen, das müssen durchaus nicht alle sein, für die Sie das meiste erreichen können. Die dann wiederum vermutlich auch sehr positiv über Sie denken werden.
Die Meinungen anderer, die nicht zu Ihren möglichen KundInnen, (Geschäfts-)PartnerInnen und FreundInnen zählen? Können Ihnen ganz entspannt vollkommen gleichgültig (a.k.a.: schnurzpiepegal) sein. Sie sehen, Selbstmarketing wirkt gerade für schüchterne Menschen Wunder. Nur Mut.