Drei Dinge, die ich im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Bando lernte

Bando Gedenkstein

„Zum Gedenken an eine Grenzen überwindende Menschlichkeit“

Hat sich deine Japanreise, mal abgesehen von dem unbezahlbaren Tagesthemen-Auftritt, gelohnt? Das wurde ich vor ein paar Tagen gefragt. Über das Künstlerische, das Emotionale und die Schlagzahl der Weltkulturerbe-Besuche hinaus, fragte ich zurück und überlegte dann: Ja. Die Inspirationen, Erkenntnisse und AHA-Erlebnisse waren enorm. Zusammenfassend beschränke ich mich hier auf drei Einsichten, die sich auf die Philosophie und das Wirtschaftsleben in dem außergewöhnlichen Kriegsgefangenenlager (link zu historischen Fakten) beziehen:

  1. Motivation des Kriegsgefangenenlagerleiters: Bislang vermutete ich, dass Matsue Toyohisa sich aus seinem Wertesystem als Mitglied einer Samurai-Familie heraus so human gegenüber den Gefangenen verhalten hatte. Schließlich ist nach Nitobé Menschlichkeit eine der sieben Tugenden und Höflichkeit eine der fünf Hauptforderungen der Samurai. Doch inzwischen, belehrt durch die Museumsführerin in Bando, vermute ich, was vielleicht eher die Motivation für meinen Helden war: Er hatte am eigenen Leib erfahren, wie es war der Unterlegene zu sein. Denn mit der Meiji-Periode ab 1868 wurde die Klasse der Samurai entmachtet und aus ihren Besitzungen in Richtung Norden vertrieben. Die Militär-Karrieren der Familienmitglieder im Militär wurden erschwert und verhindert. Ich stelle mir vor, dass Matsue in dieser Situation die Erkenntnis hatte, die ihm zugeschrieben wird: Die Unterlegenen haben auch nur für ihr Vaterland gekämpft und ihr bestes dafür gegeben. Respekt gegenüber Unterlegenen war, soweit ich das jetzt verstehe, somit kein übernommener Wert, sondern einer, an dessen Abwesenheit er selbst gelitten hatte. So erkannte er für sich die Wichtigkeit dieses Wertes und handelte auch danach. Auch wenn ihm diese Handlungsweise innerhalb des Militärs selbst Nachteile brachte. Was sind die Werte, deren Wert ich am eigenen Leibe spürte und die mir deshalb so wichtig sind?
  2. Selbstorganisation der Kriegsgefangenen: Gefangenschaft ist sicher in jedem Fall ein schrecklicher Zustand. Ein Kriegsgefangener weiß zudem nicht, wann diese Gefangenschaft zu Ende sein wird. Langeweile ist hier nicht der Ennuie der Teenager und Übersättigten, sondern ein für Menschen, die es gewohnt sind zielstrebig und engagiert beschäftigt zu sein, bedrohlicher Geisteszustand. Matsue Toyohisa hielt sich nicht nur daran, keine Zwangsarbeit zu fordern. Er erlaubte den Gefangenen auch, sich ihre Beschäftigung selber zu gestalten. So wie Google es seinen Mitarbeitern, so wie ich gehört habe, auch für einen halben Arbeitstag die Woche gestattet, an eigenen Projekten zu arbeiten. (Von den ggf. folgenden Gewinnen wird Google sicher auch profitieren.) In Bando kamen so nicht nur Orchester (Erstaufführung der Neuenten von Beethoven in Asien am 1.6.1918) und Theateraufführungen zustande, Ausflüge (!), gegenseitige Workshops und Lehrvorträge, eine Lagerzeitung, auch profitable Gaststätten die Japaner bewirteten und eine Bäckerei, die in ganz Japan und bis in die Philippinen lieferte. Was würde ich in einer ähnlichen Situation mit meiner Zeit anfangen?
  3. Ort der Wunder: Durchaus mit Ein Kurs in Wundern und der Wunderfrage nach Steve de Shazer vertraut, war ich doch überrascht in Bando einen Gedenkstein zu finden, auf dem Bando als Ort der Wunder bezeichnet wird. Der Gedenkstein wurde dort vor sieben Jahren vom Roten Kreuz aufgestellt. Die Begründung für die Bezeichnung: Zum einen, dass Matsue Toyohisa das Lager nach humanitären Werten leitet. Zum anderen, dass es hier zu Freundschaften zwischen den Gefangenen und den NachbarInnen kam. Und: Auf dem Gedenkstein ist ein Programmheft abgebildet. Es handelt sich um das Programm für ein Wohltätigkeitskonzert im Oktober 1919. Für deutsche Kriegsgefangene in Wladiwostock, Ost-Sibirien. Die hatten es weniger gut als sie. Ich recherchierte: „Das Programmheft war gleichzeitig ein Los für eine Verlosung, bei der man ein Fass Bier, eine Reisekiste, Wurstwaren, eine Torte u.v.a.m. gewinnen konnte. Das vorliegende Exemplar 615 war nicht unter den Gewinnern.“ Das ist soooo süß!  Ich hoffe, dass das 100-jährige Jubiläum dieses Konzertes ebenso gewürdigt wird wie die Aufführung der Neunten! Was kann mein Unternehmen, was kann ich, jetzt veranstalten oder verlosen, um Menschen zu helfen, denen es gerade nicht so gut geht wie mir?

Susanne Hake

Master of Fine Arts, 

Entspannter-leistungsfähig-Coachin, Kommunikationsberaterin.

Mit Wissen und Erfahrung von Medien/Kommunikation einerseits und Körperpsychotherapie/Osteopathie andererseits, biete ich lösungsfokussiertes Coaching.

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Foto: dpa.com/Silas.Stein

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