Des Darmes Lob ist in aller Munde. Nicht nur, dass er Nährstoffe und Vitamine aufnimmt. Er sorgt auch dafür, dass unser Immunsystem funktioniert. In ihm wird über 80% des Wohlfühlbotenstoffs Serotonins produziert. Er hat erwiesenermaßen ein eigenes Gehirn, das Darmhirn. Und selbst sein Gekröse kam neulich in die Schlagzeilen.
Diese Aufhängung, Mesenterium genannt, verbindet den Darm mit der hinteren Darmwand. Durch sie hindurch führen Adern, Venen und Lypmphbahnen zur Versorgung und Entsorgung des Darmgewebes.
Darm, Gekröse und Leonardo hat mal wieder recht
Ab dem Jahr 1885, vom Mediziner Sir Frederick Treves, König der Blinddarm-Operateure, dachten die Forscher, dass das Mesenterium nicht aus einem Teil bestehe, sondern jeder Abschnitt sein eigenes habe. Doch inzwischen bestätigt selbst das seriöse Medizinbuch Gray’s Anatomy (nicht die medizinisch weniger seriöse gleichnamige TV-Serie), dass dem nicht so ist:
Das Mesenterium ist eins. Vom Magen bis zum Rektum. So wie Leonardo da Vinci das schon gezeichnet hatte. Dass das Mesenterium jedoch einen Status als eigenes Organ bekommt, wie von einem irischen Forscher gefordert und im Januar 2017 von den Medien weltweit verbreitet, war wohl eine Wissenschafts-Ente.
Der Darm als Terrain teuren Halbwissens
Generell: neue Erkenntnisse über den Darm gibt es zuhauf. Und manchmal ziehen Menschen, die sich nicht fokussiert und in der aktuellen Forschung mit diesem speziellen Teil der Medizin beschäftigen, die falschen Schlüsse und Querverbindungen. Deshalb bin auch ich, Heilpraktikerin mit zusätzlich fünf Jahren Osteopathie-Ausbildung, vorsichtig mit Aussagen. So schrieb ich zum Beispiel in meinem 2014 erschienen Buch von der Serotonin-Produktion im Gehirn: Scan-Studien (von Dr. Mirko Diksik von der McGill University1) ergaben, dass das weibliche Gehirn 52 Prozent weniger des beruhigenden Neurotransmitters Serotonin produziert als das männliche.
Als ich dann davon hörte, wie viel Serotonin im Darm produziert wird, laut Professor Grazl über 90 Prozent!, dachte ich zunächst, dass damit die Information in meinem Buch überholt wäre. Denn dann käme es auf den Produktionsunterschied im Hirn ja auch nicht mehr an. Doch ich recherchierte: Das im Darm produzierte Serotonin kann offenbar nicht durch die Blut-Hirnschranke ins Kopfhirn gelangen (merkwürdigerweise gelingt das Ammoniak schon). Also wird das im Darm produzierte Serotonin, und wieder sind wir im Reich der Hypothese, eventuell Einfluss auf das Darmhirn haben, doch nicht auf das Kopfhirn.
Darm, Osteopathie und ständige Fortbildung
Zum Mikrobiom, das auch meiner Ansicht nach hochinteressant ist und über das ich mich ständig und gerne auch mit Webinaren nach Feierabend weiterbilde, traue ich mich noch nicht zu schreiben. Was ich bezüglich Darm dann überhaupt mache? Osteopathie. Genauer: Viszerale Osteopathie. Selbstverständlich hat auch diese ihre Grenzen. Zum Beispiel sollte sie bei akuten Schüben von Morbus Krohn und Colitis Ulcerosa nicht angewandt werden. Doch ansonsten: Viszerale Osteopathie ist diejenige unter den drei Pfeilern der Osteopathie – parietale, kraniosakrale und viszerale Osteopathie – die direkt und indirekt mit dem Viszerum, also den Eingeweiden, arbeitet. Dazu gehört der Darm und eben auch sein Mesenterium.
1. Amen, D. G: Unleash the power of the female brain, Piatkus, 2013.